Pfadfinderei in Schenefeld

Bernd Kähler
Bernd Kähler

( Quelle Bernd Kähler) 
Aus der Anfangszeit …
 
1959 begann die Pfadfinderei in Schenefeld wieder mit der Aufbaugruppe und dem späteren Stamm „SCANA“. „Wieder“ - es gab wohl einen Vorgänger, denn gleich nach der Gründung der ersten Sippe tauchten zwei ältere Rover auf. Einer von ihnen war Bendix Passig, der dem Stamm zurückhaltend und zuverlässig zur Seite stand. Eine Gründungsurkunde oder Ähnliches gibt es nicht. 
Der Ort Schenefeld war damals in vielem anders als heute. Es gab noch keinen Aldi und keine Dönerbude (man aß zuhause), dafür eine eigene Meierei und zumindest eine Schlachterei, mehrere Lebensmittelläden und Gaststätten, die Ställe der Bauernhäuser wurden erst später zu Garagen und Wohnungen umgebaut. Aber es gab schon das später ausgebaute Schulzentrum und den Mühlenteich, den Treffpunkt der Jugendlichen im Sommer bis spät in den Herbst.

Fernreisen nach Barbados oder an die türkische Riviera, nach Südafrika oder Thailand waren mehr als unbekannt. In den Familien wussten die Eltern „wo es lang geht“, und wussten das auch durchzusetzen. Ob es immer gut war? Naja, …. - ein pauschales Ja oder Nein wäre dumm.
 
Wenige Jahre später wurde auch im Schenefeld vieles von dieser Zeit zur Geschichte, weggespült von einer großen Welle der Veränderungen mit Beate Uhse und ihren Sexshops, mit Rudi Dutschke und der Studentenrevolte, und mit vielen neuen privaten Freiheiten.
 
Die Gruppe gehörte von Anfang an zum Bund Deutscher Pfadfinder und ihre Gründer waren die Jungen und ich, damals 16/17-jährig, die wir zur ersten Sippe zusammenfanden. Unser Heim war der kleine Dachboden über den Stallanbau des Hauses meiner Mutter in der Feldscheide; an der Wand prangt noch heute schwarzweiß die schnörkellose Lilie unseres Bundes. Fördermittel vonseiten der Kommunalgemeinde oder der Kirchengemeinde oder irgendeiner Erwachsenenorganisation gab es nicht. Und das war noch gut so: Wir Jugendliche waren frei, frei in unserem Tun, frei in unserem Denken und auch frei dazu, Verantwortung für einander zu übernehmen - in der Gruppenarbeit, bei den Einkäufen, in den Nachtwachen über dem Feuer im Zelt, in der Kohte. Da waren wir immer zu zweit, und worüber haben wir uns nicht alles unterhalten - über Krieg und Kriegsdienst, über den Liebeskummer, den man auch damals schon als Zehnjähriger haben konnte und den wir Älteren zu pflegen wussten. Manche hätten auch gern über ihre Eltern gesprochen, aber das geschah nur selten. Für einige der Jungen, die sich unserer BDP-Gruppe anschlossen, waren das völlig neue Erfahrungen, und sie mussten ihre Zugehörigkeit zu unserem Bund und Stamm bei ihren Eltern durchsetzen.
 
Die Eltern: In der Regel waren sie kooperativ, und wir Leiter - jetzt selber Eltern und Großeltern - können uns im Nachherein nur staunend für das Vertrauen bedanken, dass sie uns entgegenbrachten. Freundlich sprachen sie mit uns, wenn wir recht selbstbewusst mit ihnen über die Freizeit ihrer Kinder verhandelten. Die meisten waren offen für uns Pfadfinder. Einigen waren wir aber wohl auch zu lasch; sie sahen ihre Zeit im Jungvolk der HJ als Vorbild. Andere hatten diese Zeit in anderen Erinnerungen und befürchteten bei uns Parallelen. Zu Unrecht! Wir waren etwas völlig anderes. Bis zu seinem Ende blieb der BDP eine offene Erlebnisgemeinschaft von Jungen und jungen Erwachsenen, die sich wechselseitig prägten mit dem oft auch ausgesprochenen Ziel des selbstständigen Denkens und verantwortungsbewussten Handelns. Das übten wir auf den Fahrten, in Kooperationsspielen und wir machten es uns in den Gesprächen und Geschichten am Lagerfeuer und vor allem in den recht anspruchsvollen Ausbildungskursen des Landesverbandes, der „Landesmark“ – wie wir damals sagten, und des Bundesverbandes bewusst. Das ist auch heute noch so. 
 
Ein befreundeter Lehrer an einer Schule mit teilweise recht schwierigen Schülern, erzählt: Hast du ein oder zwei oder drei Pfadfinder in der Klasse „hast du schon die halbe Miete“. –
Bei aller bewusster Pädagogik, vor allem waren wir eine Erlebnisgemeinschaft von Jungen: Mädchen, junge Frauen konnten in dem Bund nur als Leiterin der Wölflinge, der Kinderstufe, mitmachen, und sie sollten möglichst nicht die Freundin eines Leiters sein. Das, denke ich jetzt, war ein Fehler, auch wenn ich gerne an die Zeit in einem Jungenbund zurückdenke. Als im Zuge der beginnenden 68er Bewegung diese Regel aufgehoben wurde, war das für den Stamm zu spät.
 
Was gibt es noch mehr aus dieser Zeit zu erzählen?

Wir waren ein Fahrtenbund, auch wenn wir in unserem Stamm wie  in manch anderem Stamm weniger Fahrten machten als erträumt. Aber die Fahrtenerinnerungen haben sich eingeprägt – die Radtouren bei strahlender Sonne und dem flatterndem Wimpel, das Campfire mit englischen Pfadfindern im nordenglischen Lake District, bei dem es statt Tschai und Gesängen „tea or cocoa and biscuits“ gab – one or two for each.
Wochenlange Lager mit einem pfadfinderischen Beschäftigungsprogramm waren nicht unsere Sache. Eine Ausnahme waren die großen Bundeslager. In ihnen ging es um den kulturellen Austausch im Bund, und sie waren eine besondere Herausforderung, denn keine Gruppe wollte sich irgendwie blamieren. Stolz waren wir schon – auf die Jungen unserer Gruppe, auf unserem Bund und auch auf unsere schlichte Tracht: ein dunkelblaues Hemd, das blau-gelbe Halstuch - das reichte. Besondere Abzeichen für die Leiter und eine Vielzahl von Erinnerungsabzeichen hätte sie nur verunziert. Wenn einer etwas Besonderes konnte, brachte er es schlicht ein, protzte damit nicht rum.
 
Zu der Anfangszeit des Stammes und darüber hinaus gehören auch einige Förderer, die sich sehr im Hintergrund hielten. Es waren die Bauern, die es wohlwollend duldeten, wenn wir einfach am Rand ihrer Wiesen und Hecken zelteten oder gar Stangenholz fällten.
Und da war der damalige Gemeindepastor, P. Weilbach. In seinem theologischen Denken und in der Weite seines Blicks gehörten wir schlicht und auch durchdacht zur Gemeindejugend.
 
Meine eigene Zeit im Stamm endete 1964 mit dem Beginn meines Studiums in Bielefeld. Die beiden Frauen, die ich damals für die Wölflinge gewinnen wollte, lehnten die Mitarbeit ab - leider, wie wir jetzt als 60jährige wohl alle sagen. So lebte der Stamm als reiner Jungenbund noch einige Jahre weiter. Über diese Zeit können andere mehr erzählen, Bernd Kuhfahl z. B. Er gehörte wohl am längsten zum Stamm.
 
Bernd Kähler Februar 2011

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